Bild: Otto Weidt, der verfolgte Jüdinen und Juden in seiner Blindenwerkstatt beschäftigte.
„Zivilcourage ist zeitlos“
Swetlana Tichanowskaja bei der diesjährigen Gedenkveranstaltung des Bundes, des Landes Berlin und der Stiftung 20. Juli
„Was hättest du getan?“ oder „Was kannst du tun?“
Diese beiden Fragen müsse beantwortet werden, wenn wir unsere Demokratie erhalten wollen, sagt Robert Habeck in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung zum Gedenken an den 20. Juli 1944.
Das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 ist Anlass, um an die Menschen zu erinnern, die während des Nationalsozialismus den Mut zum Widerstand hatten und dadurch ihr Leben riskierten.
Viele Offiziere des 20. Juli sind zunächst der Ideologie des Nationalsozialismus gefolgt. Sie besaßen jedoch die Stärke, ihre ideologische Verblendung abzulegen und sie versuchten, die Diktatur zu beenden. Deshalb ist ihre Tat so besonders. Die Frauen und Männer des 20. Juli folgten ihrem Gewissen und stellten sich ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben dem Unrechtssystem entgegen. Die meisten Deutschen taten so, als gingen sie die Greueltaten nichts an, die in deutschem Namen passierten.
Nur wenige hatten den Mut, dem Unrecht und der Unmenschlichkeit etwas entgegensetzen. Doch Dank der Arbeit der Gedenkstätte des Deutschen Widerstand wissen wir heute, dass es mehr waren, als man zunächst angenommen hatte. Die Ausstellung „Stille Helden“ widmet sich insbesondere denjenigen Jüdinnen und Juden, die sich widersetzt haben und denjenigen, die ihnen geholfen haben. Wie zum Beispiel Otto Weidt mit seiner Blindenwerkstatt in Berlin, in der er unter schwierigsten Bedingungen und großer Gefahr nur jüdische Mitarbeiter beschäftigte.
Aber es waren dennoch zu wenige, um die Gräueltaten der Nationalsozialisten zu verhindern.
In der Nachkriegszeit wurden viele dieser unbesungenen Helden gerne schnell vergessen, zeigte ihr Handel doch, dass man auch unter schwierigsten Bedingungen eine Wahl hat, seinem inneren Kompass zu folgen.
Weil heute Demokratien wieder besonders gefährdet sind, bleibt es wichtig, die Taten dieser stillen Helden weiterzuerzählen. Sie dürfen nicht in Vergessenheit geraten.
Wie kann man dem Erinnern die Kraft geben, die in die Zukunft weist?
Habeck mahnt in seinem Beitrag: „Insbesondere ein Land wie Deutschland, das andere Länder mit so viel Gewalt, Unterdrückung und Zerstörung überzogen hat, muss auf die Stimme von Menschen hören, deren Vorfahren oder die selbst Opfer dieser Gewalt geworden sind.“
Über Grenzen hinweg müssen wir den Opfern deutscher Gewaltherrschaft und ihren Nachkommen zuhören und ihre Sichtweisen aushalten. Der Krieg in der Ukraine macht deutlich, wie dringend notwendig dieses Verständnis ist. Auch dort wird es stille Helden geben, ebenso in Belarus. Der 20. Juli ist daher auch ein Tag, an dem sie gefeiert werden.
(Dieser Blog-Artikel orientiert sich weitgehend an dem oben zitierten Artikel in der Süddeutschen.)