Beispiel Nordrhein-Westfalen
Fotograf: Axel Weiss
Lernen in lokalen und regionalen Gedenkstätten
Von Klaus Schlotterose
Seit den späten 70er und frühen 80er Jahren ist in Deutschland eine vielfältige, dezentrale und in sich differenzierte Erinnerungslandschaft entstanden. Die Datenbank der Bundeszentrale für politische Bildung nennt 447 Orte. Ganz überwiegend befinden sich die Erinnerungsorte an authentischen Orten. Angesichts des vielfach schon abgeschlossenen Übergangs der gesellschaftlichen Erinnerung vom „kommunikativen in das kulturelle Gedächtnis“ d.h. angesichts des Endes direkter Zeitzeugenschaft gewinnen diese Erinnerungsorte immer stärker an Bedeutung.
Worin besteht der besondere Wert dieser Gedenkorte?
- Die Erinnerungsorte können Schülerinnen und Schülern vermitteln, dass der Nationalsozialismus kein „fernes“ Phänomen war. Er hat sich an ihnen bekannten Stellen konkretisiert, hat vielleicht den Heimatort geprägt und dort seine Spuren hinterlassen. Das kann dazu beitragen, ein kritisches Geschichtsbewusstsein zu entwickeln. Also eine Verschränkung von gedeuteter Vergangenheit, wahrgenommener Gegenwart und erwarteter Zukunft.
- Dass sich Erinnerungsorte meist an historischen Orten befinden, etwa im Kölner EL- DE Haus oder in der Dortmunder „Steinwache“, kann diese Lernprozesse unterstützen.
- In der breiten und differenzierten Erinnerungslandschaft werden unterschiedliche Aspekte des Lebens und Leidens in der NS-Zeit deutlich.
Für NRW seien hierfür die folgenden Beispiele genannt:
- nochmals die beiden o.g. Terrorzentralen in Köln und Dortmund,
- das ehemalige Jawne-Gymnasium in Köln, wo an das Schicksal jüdische Schülerinnen und Schülern aus Köln erinnert wird,
- die Begegnungsstätte „Alte Synagoge“ in Wuppertal, die das Schicksal der dortigen jüdischen Gemeinde über die NS-Zeit hinaus darstellt
- die Dokumentationsstätte „Stalag 326 (VI K Senne)“ in Schloß Holte-Stukenbrock, die sich insbesondere mit dem Schicksal der Kriegsgefangenen aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion beschäftigt
- „Vogelsang IP“ in der Eifel, wo mit der Aufarbeitung der Ausbildung von Partei-Funktionären in einer NS-Ordensburg eine Perspektive auf die Täter eröffnet wird.
Regionale oder lokale Gedenkstätten befinden sich häufig in einer Entfernung vom Schulstandort, die einen Besuch ohne allzu großen zeitlichen und organisatorischen Aufwand erlauben. Angesichts eines schulischen Alltags, der vielen Zwängen unterliegt, ist dies sicher nicht gering zu schätzen.
Was bieten diese Gedenkorte an? Wie arbeiten sie?
- Die Bildungsarbeit der Gedenkstätten ist meist angelegt auf die aktive Aneignung des Gezeigten und Präsentierten durch die Schülerinnen und Schülern. Genannt seien hier als Beispiele dialogische Führungen, Workshops zu bestimmten Themen, Recherchen zur Biographie von Opfern.
- Daher ist es möglich, mit Schülerinnen und Schülern ganz unterschiedlicher Jahrgangsstufen vor Ort und projektorientiert zu arbeiten.
- Die thematisch unterschiedliche Ausrichtung der Gedenkstätten erlaubt auch die Bearbeitung bestimmter Aspekte der NS-Herrschaft,
- Im Vorfeld einer Fahrt zu einer ausländischen Gedenkstätte, bietet es sich an, sich zunächst mit den Ereignissen „vor der Haustüre“ in einer lokalen Gedenkstätte vertraut zu machen.
- Verschiedene Gedenkorte, z.B. das EL-DE-Haus in Köln und die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, bieten Seminare zur Vorbereitung auf Fahrten in Vernichtungslager an.
Tipps / Empfehlungen / nützliche Hinweise
- Einen guten Überblick über die Erinnerungslandschaft in NRW mit vielen hilfreichen Hinweisen (Anschriften, Öffnungszeiten) bietet der Band „Geschichte in Verantwortung“ des Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte NRW.
- Auf der Seite des Arbeitskreises finden sich auch Überblicke über die Gedenkstätten und Erinnerungsorte in NRW wie auch bundesweit.
- Viele Informationen findet man auch auf der Seite des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft NRW.
- Die einzelnen Gedenkstätten informieren auf Anfrage detailliert über ihre Arbeitsweisen und Angebote. Wie z.B. die Mahn- und Gedenkstätte in Düsseldorf arbeitet, beschreibt dieser Film: https://www.youtube.com/watch?v=VEo4_-XCzEc&feature=youtu.be
- Besondere Kontinuität und Nachhaltigkeit dieser Arbeit kann für die Schulen durch den Abschluss einer Bildungspartnerschaft zwischen einer Schule und einer Gedenkstätte bekommen. Hilfreiche Informationen dazu sind zu finden auf der Seite des Schulministeriums NRW.