Sarah Rehberg
KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, Foto: Thomas Dashuber
Ist der Gedenkstättenbesuch für alle geeignet?
Sarah Rehberg
Auszüge aus ihrem umfangreichen Beitrag „Der Gedenkstättenbesuch aus gedenkstättenpädagogischer Sicht“
“Zum anderen beschreiben Lehrer*innen von Klassen mit sogenanntem hohen Migrationsanteil die Sorge, ob Jugendliche ohne familienbiografischen Bezug zum Nationalsozialismus überhaupt einen Zugang zu der spezifischen Geschichte des NS und des Holocausts finden könnten. In der Regel meinen sie damit Jugendliche, deren Familien aus Herkunftsländern stammen, deren Verbindung zum Nationalsozialismus tatsächlich marginal oder zumindest nicht Teil des deutschen Erinnerungsdiskurses ist, geschweige denn im Kontext des schulischen Geschichtsunterrichts auftaucht. […]
Meine persönliche Antwort auf die Frage fällt hingegen sehr knapp aus. Meines Erachtens braucht es keinen familiären Bezug, um Interesse für ein historisches Thema oder Empathie für die Erlebnisse der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung zu entwickeln. Die meisten Jugendlichen heutzutage kennen niemanden mehr persönlich, der die Zeit des Nationalsozialismus erlebt hat und ihnen davon berichten kann. Für sie ist das Thema, kurz gesagt, Geschichte. Übermittelte Familiengeschichten sind sicherlich ein Zugang zur Geschichte des Nationalsozialismus, aber eben auch nur einer von vielen, und es ist häufig fraglich, wie wahrheitsgetreu diese tradierten Familiennarrative schlussendlich sind. Darüber hinaus sehen viele Jugendliche die Notwendigkeit, sich mit dem Nationalsozialismus auseinanderzusetzen, nicht mehr einzig und allein darin begründet, weil ihre Familien bereits vor über 75 Jahren in Deutschland lebten. Die meisten begreifen das Wissen um den Nationalsozialismus und den Holocaust inzwischen als globale Geschichte, die alle Menschen betrifft. Die Zugänge dazu sind vielfältig und können meines Erachtens nicht durch die Vorlage ausgewählter Themen oder Biografien, die eine besondere nationale, ethnische oder kulturelle Berücksichtigung vornehmen, vorbestimmt werden. Die Verfolgung von Menschen aus rassistischen, religiösen, politischen, eugenischen, sozialdarwinistischen und anderen Gründen ist universell und es sollte Schüler*innen unbedingt frei stehen, ihren persönlichen Zugang selbst zu entdecken.”