Vorbereitung, Durchführung, Nachbereitung
Foto: Igor Sigov
Tipps zur Planung von Gedenkstättenfahrten
Bundeszentrale für politische Bildung
Von Anne Wanitschek
Einleitung
Die folgenden Praxistipps sollen Leitende von Gedenkstättenfahrten dabei unterstützen, ihre Reise vorzubereiten und durchzuführen. Die Hinweise können zudem helfen, die pädagogische Qualität von Gedenkstättenfahrten zu sichern. [… ]
Nahe liegend ist zunächst, eine Gedenkstätte im eigenen Land aufzusuchen – häufig führt eine Fahrt aber auch ins Ausland. Zu bedenken ist, dass eine Gedenkstätte in Deutschland eher als »Lernort« verstanden wird, während in Polen und Tschechien Erinnern und Gedenken im Vordergrund stehen. Daraus können sich unterschiedliche Vorstellungen zum Programm und zur Dauer des Besuchs ergeben.
Vorüberlegung
In der Programmplanung sollten Sie mindestens vier Tage vor Ort vorsehen. Wichtig für eine aktive Beteiligung ist die freiwillige Teilnahme an der Fahrt (besonders bei Schulklassen wichtig zu beachten). Vor allem die Leitung sollte sich darüber klar werden, dass eine Gedenkstättenfahrt den (Geschichts-)Unterricht zwar ergänzen, nicht aber ersetzen kann.
Auch werden durch eine Gedenkstättenfahrt bestehende rechtsextreme Einstellungen weder verändert, noch kann eine solche Fahrt dagegen »immunisieren«. Darüber und über hiervon abweichende Erwartungen sollte sich das Leitungsteam vorher verständigen und dies gegebenenfalls mit den Teilnehmenden besprechen.
Dabei können Sie sich an folgenden Fragen orientieren:
- Warum soll diese Gedenkstättenfahrt durchgeführt werden? Welche Lernziele gibt es für die Teilnehmenden? Welches Interesse hat die Leitung?
- Wer ist die Zielgruppe? Wie soll sie erreicht werden?
- Wer ist Träger*in / Veranstalter*in der Fahrt?
- Welche pädagogischen Konzepte und Methoden sollen angewandt werden?
- In welcher Form werden Vor- und Nachbereiung durchgeführt?
- Warum wurde gerade diese Gedenkstätte ausgewählt?
- Wie soll die Begegnung mit dem anderen Land aussehen? Welches Interesse haben Sie am anderen Land? Wichtig ist hierbei die Bereitschaft, auf das evtl. besuchte Nachbarland und auf die spezifische Bedeutung der Gedenkstätte für dieses Land einzugehen. […]
Vorbereitung
Die Vorbereitung sollte […] folgende Elemente enthalten:
- Kennenlernen als Gruppe;
- historische Vorbereitung, […]
- Klärung von Erwartungen und Wünschen, Ängsten und Befürchtungen;
Jugendliche können sich von dem Besuch einer Gedenkstätte schnell überfordert fühlen und mit Abwehr und Desinteresse reagieren. Sie sollten daher nicht nur über inhaltliches Grundwissen verfügen, sondern auch für die möglichen emotionalen Belastungen sensibilisiert werden; […]
Durchführung
[…] Nach jeder thematischen Einheit sollte es unbedingt Zeit und Raum sowie eine pädagogische Anleitung zur Reflexion und Verarbeitung der Eindrücke geben. Dafür sollte man sich nicht immer starr an das vorgegebene Programm halten, sondern auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden eingehen. Wenn einzelne ihre Eindrücke lieber allein verarbeiten wollen, sollten sie nicht zu einer »öffentlichen« Aussprache gezwungen werden.
Zur häufigsten Form des Gedenkstättenbesuchs zählen Führungen durch Mitarbeitende der jeweiligen Gedenkstätte, mitunter ergänzt durch einen einleitenden Film oder Kurzvortrag. Bei einem längeren Aufenthalt vor Ort können verschiedene Workshops auf dem Gelände durchgeführt werden, wie die Erarbeitung wechselseitiger Führungen, kleinere Instandhaltungs- oder Aufräumarbeiten oder Archivarbeit. […]
Die Erinnerung an die Opfer und ihr Leid ist oft Teil eines Gedenkstättenbesuchs. Dazu müssen ein geeigneter Ort und eine angemessene Form gefunden werden. Die Leitfrage dabei ist, wie Trauer und Gedenken heute aussehen können. […]
Am Ende der Fahrt sollte unbedingt eine Gesamtauswertung durchgeführt werden, die die in der Vorbereitung erarbeiteten Erwartungen und Ängste aufgreift. Ein Aufenthalt in einer Gedenkstätte und die Konfrontation mit Tod und Leid lösen bei Jugendlichen wie Erwachsenen hochkomplexe emotionale Reaktionen aus. Mit den unterschiedlichen, bisweilen schmerzhaften Emotionen konstruktiv umzugehen, ist sehr wichtig. […] Auf Anfrage können die Mitarbeitenden der Gedenkstätte Hilfestellung leisten.
Zentrale Fragen bei Auswertungsgesprächen:
- Welche Gefühle und Emotionen bewegen die Teilnehmenden, was berührt sie hingegen nicht?
- Welche Reaktionen auf den Besuch haben sie bei sich und anderen beobachten können?
- Welche Fragen sollten vertieft werden?
- Wie könnten die gewonnenen Eindrücke verarbeitet und mit heutigen Ereignissen in Beziehung gesetzt werden?
Zeit und Geld sind bei solchen Fahrten eine knappe Ressource. Gedenkstättenbesuche und Spaßausflüge werden gerne miteinander verbunden – so bezahlt man nur einmal für den Bus. Eine solche Programmplanung ist didaktisch jedoch nicht empfehlenswert, denn Gedenkstättenbesuche sind keine touristischen oder gewöhnlichen landeskundlichen Programmpunkte. Die Auseinandersetzung mit der Gedenkstätte und mit der Geschichte benötigt Zeit, weil die historischen Ereignisse und ihre Folgen komplex sind und sie angemessen besprochen werden müssen. […]
Nachbearbeitung
Auch eine Nachbereitung ist für eine Gedenkstättenfahrt äußerst sinnvoll, um mit etwas zeitlichem Abstand noch einmal die Eindrücke und Erfahrungen aus der Fahrt zu resümieren und Anregungen zum Weiterdenken auszutauschen. […] In der Nachbereitung hat auch die Erstellung einer Fahrtdokumentation ihren Platz – als Broschüre, als kleiner Film, als Internetseite, als Fotoausstellung, in literarischer oder einer anderen künstlerischen Form. […]
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